Bild oder Text? Eine kulturhistorische Betrachtung
“Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.” Ist etwas dran an solchen Sprüchen? Lassen Sie es uns die Sache mal kulturhistorisch betrachten.
Lesen oder Video anschauen? Bei diesem Blogbeitrag können Sie wählen.
Hier ist das Video:
Alles begann mit Bildern
Die Schriftforschung geht davon aus, dass das Schreiben mit Bildern begann.
Höhlenmalerei
Schon vor 73.000 Jahren hat der Homo Sapiens damit begonnen, sich künstlerisch und kommunikativ auszudrücken, indem er Menschen, Stiere und andere Dinge an Höhlenwände malte. Die Höhlenmalerei wird als Vorläufer der Schrift betrachtet.
Piktogramme
Irgendwann kam es bei der Höhlenmalerei zur Abstraktion. Der Stierkopf wurde auf wenige Striche reduziert und zum Symbol für ein Rind. Wie bei heutigen Piktogrammen wurden Abstraktionen standardisiert und bekamen einen Informationsgehalt, der ein wenig über die Zeichnung hinausging.
Ideogramme
Als die Bedeutungen immer abstrakter wurden, entstanden Ideogramme. Der Stierkopf wurden zum Beispiel zum Siegel eines Clans. Das Schamdreieck stand für Weiblichkeit. Und so weiter.
Logogramme
Daraus folgten Logogrammen, bei denen ein Zeichen für einen konkreten Begriff steht.
Phonogramme
Schließlich entwickelten sich Phonogramme, bei denen die Zeichen von Klängen repräsentiert wurden, weitgehend losgelöst von den konkret bezeichneten Dingen. Die Maya beispielsweise kannten für “Jaguar” das Wort “Balam” und konnten es mit Hilfe dreier Zeichen schreiben, die für die Silben “ba”, “la” und “ma” standen.
Alphabet
Das Alphabet entstand vor 4.000 Jahren und wir haben es den “Kanaanitern” zu verdanken, Sklaven und Lohnarbeiter, die in Ägypten für den Pharao in seinen Türkis-Minen arbeiten mussten. Sie nutzten das Schreibsystem ihrer Herrscher, um daraus etwas Eigenes zu machen. Die Hieroglyphe eines Ochsen, auf Kanaanitisch “Aleph”, verwendeten sie für den Klang A, die eines Hauses (“Beth”) für den Klang des B – und so weiter. Aleph und Beth: Alphabet.
Das Bild war also zuerst. Aber was heißt das schon?
Wie man sieht, sind unsere heutigen kulturellen Ausdrucksformen zwar aus Bildern heraus entstanden, aber es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass Kommunikation heutzutage ein komplexer Mix aus textlichen und bildlichen Informationen ist. Die Frage, was davon wichtiger ist, ist müßig.
Eines ist im Bezug auf das “Bild” jedoch wichtig. Es liegt als rein visuelles Mittel mehr in der menschlichen Natur verankert als Text, der sich erst im Zuge der Menschheit intellektuell entwickeln musste.
Heutige Bilder bewegen sich
Beim Wort “Bild” ist man aus jahrzehntelanger Gewohnheit geneigt, zuerst an Fotos zu denken. Aber Vorsicht – Gewohnheiten ändern sich. Ich bin ziemlich sicher, dass man schon in zehn Jahren zuerst an Videos denkt, wenn man das Wort “Bild” hört.
Das liegt daran, dass Bewegtbild aktuell extrem stark auf dem Vormarsch ist – und das aus gutem Grund.
Bewegtbild ist viel aufmerksamkeitsstärker als Foto und meist auch emotionaler. Im (verkaufsfördernden) Erklären von Produkten oder Dienstleistungen ist Bewegtbild dem Foto haushoch überlegen – und auch beim Übermitteln von Nachrichten steckt in einem kurzen Video meist sehr viel mehr Informationsgehalt als in einem Foto.
Und das Wichtigste: Bewegtbild kann heute Jede/r auf ihrem/seinem Smartphone in hoher Produktionsqualität erstellen.
Apropos Qualität – meiner Meinung nach ist übrigens nicht die Produktionsqualität ausschlaggebend für die Qualität Ihrer Kommunikation, sondern die kreative und pädagogische Qualität des zugrundeliegenden Storytelling. Aber das ist ein anderes Thema.
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Publiziert am 29.06.2023
Quellenhinweise:
Danke an DIE ZEIT, Alard von Kittlitz für das zu diesem Beitrag inspirierende Dossier in der Ausgabe vom 07.06.2023.
Danke auch an Wikipedia für die Erläuterung mancher Begriffe.
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